Kurt Heyd: „Christophs Abenteuer in Australien“

Von Butzbach nach Bathurst

Kurt Heyd (* 1906 Darmstadt, † 1981 Darmstadt) veröffentlichte im Sommer 1935 das Kinder- und Jugendbuch „Christophs Abenteuer in Australien“ im Gustav Kiepenheuer Verlag. Dieses Buch, schon überaus erfolgreich im Dritten Reich, aber auch noch in der Nachkriegszeit, war sein literarisches Debüt. In diesem Abenteuerroman nahm er die Erinnerungen seines Großvaters auf, der, wie Heyd in der Vorrede sagt, in den Wintern der Kriegsjahre dem Enkel die Erlebnisse seiner Australien-Reise aus dem Jahr 1854 so lebhaft beschrieb, dass sie sich dem späteren Schriftsteller und Journalisten für immer einprägten.

Zweifelsohne sind die Abenteuer, die der zwölfjährige Christoph Betz furchtlos besteht, bis er endlich seine geliebten Eltern wieder in die Arme schließen darf, eine spannende Lektüre, auch heute noch. Die Eltern waren nach Australien gezogen, um dort ihr Glück als Goldschürfer zu suchen und den bei Verwandten zurückgelassenen Sohn zu gegebener Zeit nachzuholen. Christophs Abenteuer: die Schiffspassage mit vielen fremden Menschen, die Ankunft in Melbourne, die ersten Irritationen, Enttäuschungen, die erste Einsamkeit, ein Hund, der Christophs Freund und Wegbegleiter wird, Menschen, die sich des Jungen annehmen, mal mit schlechten, mal mit lauteren Absichten, seine Reise ins Landesinnere mit den Viehtreibern, die Angst vor den Buschräubern und den Schwarzen, das Elend in den Goldgräberminen und schließlich, nach einer vollbrachter Heldentat, die sanfte Umarmung durch Vater und Mutter.

Das Rezept ist einfach und geht auf, der Schriftsteller hat die Geschichte seines Großvaters so aufgeschrieben, dass wir Lust haben, Christoph in die Ferne zu folgen. Insofern verwundert das Interesse des Lesepublikums in den 30iger bis 50iger Jahren nicht. 1938 legte Heyd dann mit „Flegeljahre im Busch. Christophs Abenteuer in Neu-Seeland“ ein Fortsetzungsband vor.

Die Perspektive des Jungen ist frisch und unverbraucht. Er begegnet dem Fremden scheinbar vorurteilslos, wo andere ihre Befürchtungen haben.
„Wirst du auch gesund wiederkommen, Boy?“ fragte Frau Thayer unter Tränen; denn sie dachte an die Murray-Schwarzen, einen kriegerischen Eingeborenen-Stamm, der die Gegend unsicher machte.

Und doch scheitert das Bemühen Kurt Heyds, die Figur Christoph als aufgeklärt darzustellen. Werden eben noch die Freiheits- und Gleichheitsrechte berufen, gerät die Figur doch in den Sog des Rassismus, ohne dass erkennbar wäre, Figur oder Autor lehnten sich dagegen auf. Zwei Textstellen, die diese Ambivalenz verdeutlichen:

Männer aus aller Herren Länder wimmelten zwischen willkürlich gestellten Hütten und Lumpenzelten herum: Engländer, Holländer, Schweden, Dänen, Polen, Ungarn, Franzosen und auffallend viele Deutsche; Männer aus Kalifornien, Kanada und Neufundland; Eingeborene von Neu-Seeland und Bürger vom Kap der Guten Hoffnung; westindische und amerikanische Neger; Malaien, Chinesen und Inder. Alle gingen so frei umher, als gäbe es keinerlei Unterschiede zwischen ihnen […]

Er wußte, daß die Frauen der Eingeborenen nichts anders als Lasttiere und Sklaven waren, die man nach Belieben kaufen, verkaufen, stehlen, sogar töten durfte. […]

Ich bin geneigt zu sagen, hier fällt die Maske. Dem könnte entgegnet werden, dieses letzte (wie jedes!) Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Vielleicht, würde ich antworten, versuchten die nachfolgenden Sätze zu relativieren und zeigten die jugendliche Arroganz des Helden auf, aber allein, es gelingt nicht, dessen innere Überzeugung weichzuzeichen.

Mindestens so spannend wie das Buch ist die zum Buch dazugehörende Verlagsgeschichte. Gustav Kiepenheuer hatte die führenden Namen der deutschen Belletristik in seinem Programm, darunter Bertolt Brecht, Gottfried Benn, Joseph Roth, Marieluise Fleißer, Anna Seghers, Arnold Zweig, Hans Henny Jahnn. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Dreiviertel der Verlagsproduktion verboten. Im Mai 1933 erfolgte die öffentliche Verbrennung von Büchern in vielen deutschen Städten als „Aktion wider den deutschen Ungeist“. Kiepenheuer konnte seinen Verlag nur halten, indem er den Nazis unverdächtig erscheinende Klassiker neu herausbrachte. Neue Wege ging er, sicher aus dieser existenzbedrohenden Situation heraus, auch durch die Herausgabe von Kinder- und Jugendbüchern. Kurt Heyds Christoph-Roman war die erste Publikation des Verlags in dieser Reihe.

Konnte dieses Buch, die Nähe des Autors zu sozialdemokratischen Kreisen war kein Geheimnis, den Nationalsozialisten nützlich sein? Und hat die Popularität des Buches dem Autor geholfen, unbeschadet durch die Kriegsjahre zu kommen?

Im Archiv für Geschichte des Buchwesens, Band 58, Seite 38 findet sich der folgende Satz:

Dass es ihm (Gustav Kiepenheurer, E.G.) unter der Bedingungen des Dritten Reiches gelungen war, in Kurt Heyd einen deutschen Autor zu finden, der jenseits aller nationalsozialistischer Erziehungsziele menschliche Grundwerte und Toleranz gegenüber anderen Völkern und Kulturen vermittelte, ist bemerkenswert.

Eine bemerkenswerte Feststellung, die sich nicht deckt mit der Feststellung der Entrechtung wie sie im obigen Zitat zu finden ist.

Eine Recherche steht an.