Jan Koneffke: „Vor der Premiere“

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Borg, Cotta und Strauch

Ich beschäftige mich gerne mit dem Frühwerk von Prosaautoren, insbesondere mit ihren Erstlingen. Meist mit zeitlich großem Abend, wenn die Autoren schon große, ganz große Namen haben und hoffentlich von ihrem Schreiben leben können.

Dieser Tage fand ich im Spendenregal einer Kirchengemeinde die Erzählung „Vor der Premiere“ von Jan Koneffke aus dem Jahr 1988. Koneffke, 1960 in Darmstadt geboren, kenne ich als fachkundiger Juror beim Leonce-und-Lena-Preis. Eigentlich unverzeihlich, den Autoren Koneffke nicht zu kennen. Jetzt konnte ich das nachholen.

Ich will nicht den Inhalt wiedergeben, sondern aufzeigen, welche literarischen Verbindungen ich sehe. Nun, mit der Überschrift wird es deutlich: Ich setze Koneffkes „Vor der Premiere“ in den Zusammenhang mit „Die letzte Welt“ von Christoph Ransmayr, ebenfalls von 1988 (kein Erstling!) und „Frost“ von Thomas Bernhard (1931 – 1989), 1963 erschienen.

Die Kulisse

„Frost“ spielt im Alpengebirgsdorf Weng, „Die letzte Welt“ in Tomi am Schwarzen Meer, dem heutigen Constanta, in einer von Ransmayr bearbeiteten Imagination aus Bergen und Steilküsten. „Vor der Premiere“ bietet scheinbar eine weit weniger spektakuläre Kulisse mit der hessischen Bergstraße und dem Blick auf die Rheinebene, ins Ried hinein. Man sollte meinen, dort, vor unserer Haustür, geht es beschaulicher zu. Koneffke beweist das Gegenteil. Uns die Sanftheit der Hügelketten im Süden Darmstadts und das milde Klima als etwas existenziell Bedrohliches vorzuführen, das ist die hervorragende Leistung dieser Erzählung.

Die Protagonisten

Immer sind es Paare: bei Bernhard der junge Medizinstudent, der den Kunstmaler Strauch beobachten soll, bei Ransmayr Cotta auf der Suche nach Ovid, bei Koneffke Borg als Schauspieler und Borg in seiner Zwergenrolle.

Die Handlung

Die drei Werke zeichnen sich durch die innere Handlung, die psychische Verfassung der Protagonisten aus, die in eine dramatische Kulisse aufgestellt werden. Diese zeugt von Zerstörung, Untergang, Pestilenz. Das Gefühl der Bedrohung begleitet die Personen auf ihrer Suche, die letzten Endes immer die Suche nach Identität ist. Dass diese Suche nicht zum Erfolg führen muss, sondern in Wahn, in falschen Imaginationen enden kann, mithin in psychischer Krankheit, dies zeigen uns Thomas Bernhard, Christoph Ransmayr und Jan Koneffke in vereinter Wortgewalt.