Im Wartesaal vierter Klasse
Gerade mit dem Personenzug aus Schlesien angekommen, atmet Theo, der junge Ich-Erzähler des Romans Im Geiseltal von Theo Harych, erleichtert auf.
Merseburg! Viele Jahre hatte ich von dieser Stadt geträumt, sehnsüchtig auf den Tag gewartet, der mir die Freiheit bringen, mich aus den Klauen meiner Peiniger befreien sollte. Hier in der Nähe lag das Geiseltal mit den vielen Kohlengruben und Fabriken – das Land meiner Träume, wo ich Brot und Arbeit zu finden hoffte und ein neues, schöneres Leben beginnen wollte.
Theo ist fünfzehn Jahre alt. Wer verstehen möchte, wieso die Industriearbeit ihm eine solche Verheißung ist, möge sich in Harychs Roman Hinter den schwarzen Wäldern vertiefen, der Theos Vorgeschichte als Bursche im waldigen Gebiet an der Grenze Niederschlesiens zur Woiwodschaft Großpolen erzählt. Theo malocht für Bauern und erhält Prügel und ein ab und an ein Stück Brot: fürs Leben zu wenig, fürs Sterben zu viel.