Breyten Breytenbach: „Erinnerung an Schnee und Staub“

N.B. Veranstaltung wegen Erkrankung abgesagt, wird im Herbst nachgeholt.

Am Dienstag 23.05.17 um 19:30 Uhr findet im Offenen Haus, Rheinstr. 31, Darmstadt eine von Amnesty International (Bezirk Darmstadt) organisierte Lesung mit Texten und Musik zum Thema Rassismus statt.

Die Textauswahl und Moderation liegt in den Händen meiner Schriftsteller-Kollegin Maria Knissel. Sie bat mich um die Übersetzung eines Gedichts von Enoh Meyomesse (O toi Europe) und um Ideen für Gedichte zum Thema Rassismus.

Ich nahm das zum Anlass, mein schon wieder überquellendes Bücherregal zu durchsuchen und stieß auf mehrere Bücher von Breyten Breytenbach.

Das Gedicht Sie werden kommen aus Wahre Bekenntnisse eines Albino-Terroristen von 1984, ins Deutsche übertragen von Dietlinde Haug und Sylvia Oberlies, ist von beklemmender Aktualität.

sie werden kommen, viele, so viele
(daß Zählen ungenau wird, denn in Gezeiten
gibt es keine Zahlen)
»wie Heuschrecken« rufen die Wortführer –
[…]

eure Wälle werden geschleift
eure Straßen sind voll schlurfender Füße
eure Villenparks hören die Trompetenstöße
von Kinderstimmen
eure Wohntürme wackeln auf den Fundamenten
und ihr werdet an Hühnerschenkeln ersticken
und protest-prustend
Whisky auf eure Smokinghemden kleckern
[…]

Ich nahm mir dann auch endlich Erinnerung an Schnee und Staub, ein Roman von 1989 (deutsch: 1992, in der Übertragung von Matthias Müller) vor, den ich mir vor einiger Zeit aus dem Prettlackschen Gartenhaus mitgenommen hatte.

Das ist ein kraftvoller Roman mit fein verwebten Erzählsträngen, die sich zwischen Europa, Exil und der Heimat Afrika spannen. Er arbeitet am Thema Rassismus, an der Apartheid in Südafrika, Befreiungsbewegung und Folter, europäische Gleichgültigkeit, Imperialismus. Unbedingt lesenwert. Es kostet einige Kraft und Zeit, durch die etwa 450 Seiten durchzusteigen, aber Breytenbach Sprache ist klar, analytisch, sein Spiel mit Perspektivwechseln faszinierend. In der Figur des Ka’afir, eines Befreiungskämpfers, dessen Schwester im südafrikanischen Knast gefoltert wird, um das Versteck des Bruders zu verraten, spiegelt sich Zynismus und Klarsicht. Er sagt:

[…] Die Ökologen weisen mit Recht darauf hin, daß die Art und Weise, wie die Erde ihres Holzes und ihrer Kohle beraubt wird, nur als kriminell bezeichnet werden kann. Ich bin sicher, daß sich dieses Problem dadurch lösen ließe, wenn wir Afrikaner als Primärbrennstoff einsetzen würden. Es gäbe vielleicht eine geringfügige Geruchsbelästigung, aber die Nordländer haben ja bereits bewiesen, daß sie mit derartigen Beeinträchtigungen leben können.