Eine kleine Reihe über Bücher, die ich in Buchhandlungen außerhalb Deutschlands gekauft habe: gleebooks store Dulwich Hill, Sydney, Australien, Januar 2017.
Die Gedichtsammlung der politischen Aktivistin, Künstlerin und Dichterin Oodgeroo Noonuccal (1920-1993), auch bekannt unter dem Namen Kath Walker, gibt einen Einblick in die Gegenwart der Aboriginals zwischen Überlieferung Ihrer Kultur und Rassismus. Oogeroo war die erste Aborigine, die 1964 ein Buch mit Gedichten veröffentlichte. Die Sammlung „My people“ erschien 1974 als a Kath Walker collection. 1988 übernahm sie ihren Aboriginal-Namen, der Myrtenheide bedeutet.
Oodgeroo schreibt auf Englisch. Wir wissen nicht, wie ihre Gedichte sich in die Sprache des Volkes der Noonuccal anhören oder lesen würden. An Schärfe in der Benennung des Elends und der Verurteilung des Rassismus durch die Weißen geht nichts verloren, wenn sie sich der Sprache der Unterdrücker, der Mörder der indigenen Bevölkerung Australiens bemächtigt, um uns einen Spiegel vorzuhalten und trotz des Leids für Versöhnung zu werben.
Wie es bei politischer Lyrik nicht unüblich, geraten manche Formulierungen zu grob. Fehlt der poetische Feinschliff, der Klang der schönen Worte, an manchen Stellen, dürfen wir jedoch keineswegs übersehen, welch hervorragende Bedeutung diese Lyrik, dieser Klang der richtigen Worten, im Kampf um die Anerkennung der Rechte der Aboriginals und Torres Straight Islanders einnimmt.
Ein langer (und immer noch andauernde) Kampf. Erinnert sei, dass die australische Regierung sich zu den Olympischen Spielen in Sydney 2000, sieben Jahre nach Oodgeroos Tod, nicht zu einer Entschuldigung für das Unrecht durchringen konnte. Das übernahm die Gruppe Midnight Oil, die im Olympiastadion mit „Sorry“ auf schwarzen Shirts und Hosen zur Schlussfeier auftrat.
Hier ein Gedicht, in dem die Verbindung zwischen den Menschen beschworen wird auf einer Zeitleiste der Schöpfung, für die die Steinzeit gerade erst vergangen ist. It’s One Human Race!
(Alcheringa ist das Wort, für das die Weißen den Begriff der Traumzeit eingesetzt haben: die Weltschöpfung)
Stone Age
White man, only time is between us.
Once in the time long gone you lived in caves,
You used stone axe, you clothed yourself in skins,
You too feared the dark, fled the unknown.
Go back, remember your own Alcheringa
When lightning still was magic and you hid
From terrible thunder rolling in the sky.
White superior race, only time is between us –
As some are grown up and others yet children.
We are the last of Stone Age tribes,
Waiting for time to help us
As time helped you.
Das lässt mich an ein Gedicht von Moya Cannon denken.
Fingerspuren in Mondmilch
Man sagt, oft, aber nicht immer,
sei der Zeigefinger einer Frau
länger als ihr Ringfinger,
bei Männern sei es meist umgekehrt,
und die Mondmilch bewahre in dieser Höhle
die Abdrücke und Spuren der Fingerkuppen
von über vierzig Kindern, Frauen und Männern,
die im Paläolithikum lebten.
Hier im tief eingeschnittenen Flusstal der Dordogne,
als die letzten Eismassen von den Pyrenäen aus
gen Norden zurückwichen,
stand, so scheint es, eine Frau
mit einem Baby auf der Hüfte
in einer Höhle, die ausgemalt war
mit langen Reihen von Mammuts
und sanftgesichtigen Pferden,
ließ ihre Finger durch
die weiche, weiße Ablagerung
auf der Kalksteinwand gleiten,
und das Kind tat es ihr nach.
Die Fingerspuren sind auch heute klar,
die Mondmilch ist noch immer weich;
wir dürfen sie nicht berühren,
als wir in unserer offenen Spielzeugbahn
durch das Höhlenlabyrinth ruckeln.
Für die Empfänglichkeit der Seele gibt es
keinen Maßstab, wir können nicht wissen,
wie viel unseres Menschseins
wir teilen mit einer Frau, die ihr Kind lehrte,
sein Zeichen in Mondmilch zu setzen,
an einem Tag gegen Ende der Altsteinzeit.