Aminur Rahman: „Perpetual Diary – Fortwährendes Tagebuch“

Wer bist du? Wer bist du?

Mit Perpetual Diary | Fortwährendes Tagebuch des bangladeschischen Dichters Aminur Rahman, geboren 1966 in Dhaka, können wir seiner Selbstvergewisserung und seines sehnsüchtigen Dialogs zwischen lyrischen Ich und lyrischen Du folgen.

Der Band ist zweisprachig: Englisch und Deutsch. Es fehlt die Sprache des Autors: Bengali oder Bangla. Die Übersetzungen aus der Originalsprache ins Englische kommen von Sudeep Sen, A Z M Haider, Ziaul Karim und M S A Sarwar. Aus dem Englischen wurden die 29 Gedichte von Manfred Chobot ins Deutsche gebracht.

Mit Rahman ist nun einer der jüngeren Vertreter der bangladeschischen Lyrik mit einer Einzelveröffentlichung gewürdigt worden. Einige seiner Gedichte sind auch in der englischsprachigen Anthologie „100 Poems from Bangladesh. Edited by Dr. Peter Horn & Dr. Anette Horn“ (Edition Delta, Stuttgart) vertreten.

Ein Lotus im Fluss
Wächst eine neue Frau empor.
(aus: Liebe : 5)

Die Sehnsucht, das unstillbare Verlangen nach Liebe, nach Leben zeichnet Rahmans Lyrik aus. Wir erfahren wenig aus Rahmans Tagebuch über sein Land und die Gesellschaft, in der er lebt. Und da uns auch die Schrift des Bengali nicht vor Augen steht, bleibt diese Lyrik, so weltumspannend das Thema der Liebe ist, gerade in dieser allgemeinen Verständlichkeit seltsam konturlos. Befremden entsteht, wo das Fremde selbstverständlich und vertraut, schon oft gehört erscheint.

Liebe : 6

Davon fliegt die Liebe
fliegt, fliegt um dich zu berühren
Hat mich gerührt und kehrt zurück
                           zu meinen Lippen.

Noch immer scheint
ein wenig davon vorhanden, manches nicht
Liebe verharrt nach wie vor
in deinem Herzen.

Erfahre ich hier etwas über die Globalisierung von Poesie, eines nicht mehr voneinander unterscheidbaren Ausdrucks einer aufstrebenden Mittelschicht weltweit?

Ich vermisse dich an meinem Arbeitsplatz
Ich vermisse dich während meiner Meditation
Ich vermisse dich auf Reisen und auf Fotos
Ich vermisse dich in meinem Glück
Ich vermisse dich beim Gespräch mit dem Mond
Ich vermisse dich in meinem Kummer
Ich vermisse dich beim Musikhören
Ich vermisse dich auf langen Autofahrten
Ich vermisse dich in meinem Sportstudio
Ich vermisse dich bei meiner sozialen Arbeit
Ich vermisse dich bei verlockenden Angeboten
(aus: Ich vermisse dich)

Welche Erwartungen darf ich an eine Veröffentlichung haben, die im Titel das Wort Tagebuch führt? Diese Frage habe ich schon bei Miron Białoszewski aufgeworfen. Die Antwort ist einfach: Ein Tagebuch, dass geöffnet und veröffentlicht wird, darf mich, wie jede anderes Buch auch, berühren.

Völlig ruhelos sind
heute die Leuchtkäfer
Bist du in diesem Flimmern
des Lichts
Oder hast du deine körperliche
Existenz der Dunkelheit übergeben?
(aus: Ein Leben verpackt in Ruhe)

In den Gedichten gibt es schöne Verse der Liebe. Um mich dem Autor annähern und seinem Tagebuch bedingungslos hingeben zu können, hätte ich mehr davon gebaucht, (ewig) frische und mitreißende Leidenschaft. Aber mein Kopf behielt die Kontrolle.

Unabhängig von meinem Urteil ist das Buch ein bedeutender Beitrag im Kulturaustausch, für den dem Autor, den Übersetzern und den Verlegern Dank gilt.

Mir jedoch bleibt die Frage an Aminur Rahman:
Wer bist du? Wer bist du?