Landschaft lesen
Ich war auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für einen Aktiv-Menschen, eine Outdoor-Existenz, die sich gerne rollend oder zu Fuß durch die Gegend bewegt. Das Cover sprach mich an, und weil noch ein paar Tage Zeit waren bis zum Fest, las ich in das Buch hinein.
Schon nach kurzer Zeit stand fest: Ich kann dieses Buch nicht verschenken, denn es ist für mich geschrieben, für mich, der ich wohl eher eine Indoor-Existenz führe, schreibend am Tisch meine Tage verbringe und viel zu viel sitze, statt mich zu bewegen.
Der Norweger Torbjørn Ekelund (* 1971) bringt in Gehen. Eine Wiederentdeckung (Deutsch von Andreas Brunstermann) die Grundbeziehung der Bewegung und des Weges auf den Punkt.
Der Weg ist die ökonomischste, energiesparendste Verbindung zweier Punkte, nicht die kürzeste, nicht die schnellste. Der Weg wurde und wird durch Tiere und Menschen (die diesen Tieren folgen) geschaffen, durch die Bewegung der Beine, die einen Fuß vor den anderen setzen und dabei den Untergrund (Gras, Pflanzenbewuchs, Schlamm, Steine, Schnee) niederdrücken, bis Rinnen, bis Wege entstehen.
Das Buch ist eine Mischung aus Essay und autobiographischer Erinnerungsarbeit an die Wege der Kindheit, besser: den Weg der Kindheit, Toll geschrieben. Unbedingt lesenswert.
Es hat den tief in mir sitzenden (!) Wunsch getriggert, eine Landschaft lesen zu lernen. Gerne möchte ich von Menschen, die sich mit Landschaftsformen auskennen, geführt werden, um mir das Lesen der Landschaft (wieder) anzueignen. Weg von der Zivilisation hin zum Steinzeitmenschen, der die letzte Eiszeit nur überleben konnte, weil er die Fähigkeit entwickelte, sich auf unbekannten Terrain zu bewegen und neue Wege zu beschreiten.
Ich muss diesen Weg gehen.