Marko Pogačar: „An die verlorenen Hälften“

Marco Pogacar: An die verlorenen Hälften

Die zweisprachige Publikation der Edition Korrespondenzen aus dem Jahr 2010 versammelt Gedichte aus verschiedenen Bänden des 1984 in Split geborenen Autors Marko Pogačar. Es ist die erste Publikation, die die Lyrik des Kroaten dem deutschen Lesepublikum zugänglich macht. Die Übertragungen erarbeitete Alida Bremer.

Wer sich auf die Gedichte Pogačars einlässt, wird mit einer überwältigenden Bildsprache konfrontiert, die in langen freien Versen sich ihren Ausdruck, ja Ausbruch, oft in überraschenden Wendungen sucht. Als Lesender muss man auf eine abenteuerliche Reise gefasst sein; diese geht gleichermaßen in die Vergangenheit wie auch in den Alltag, dem der Autor trotzt und aus dem er seine Widerstände schöpft. Pogačar ist sich der historischen Verantwortung bewusst, immer wieder verknüpft er seinen lyrischen Kosmos mit der Erinnerung. Faschismus ist ihm keine abgelegte Vokabel, sondern Gebrauchssprache. (am Ende weißt du: schlimmer als der Faschismus / ist allein der Faschismus in Maßen.)

Wenige Zeilen reichen schon, um aufzuzeigen, wie komplex und durchaus schwierig zu lesen diese Lyrik ist. Man muss schon einer Lust am Dechiffrieren frönen, um nicht wie eine „fade Schmeißfliege“ vom Autor abgeschüttelt zu werden. (Was nichts über die Souveränität des Autors sagt, sondern über die Unzulänglichkeit „der verlorenen Hälften“.)

 

An die Weichensteller

Der Fahrplan hat die Richtungsänderung vorgegeben
und wer bist du, dass du dich beschwerst?

die dicke Frau ist umgekippt, wie ein müder Wal,
Ökosysteme sollen zugrunde gehen.

der Tee ist verschüttet worden. ganz ohne dein Verschulden.
die Revolution ist ein Polygon für die Ausbildung eurer Hände.

[…]

 

Ich denke schnell an Brechts Radwechsel, an Eduard Sam und den Fahrplan der jugoslawischen Eisenbahnen. An wie viele Dinge, an die der Autor denkt, denke ich nicht, weil ich sie nicht denken kann?

Vertiefende Informationen über Autor und seine Poetik bietet novinki.