Tatjana Gromača: „Die göttlichen Kindchen“

Darlegung

Allzu leichtfertig, allzu inflationär fällt das Wort von messerscharfen, sezierenden Worten. Und dann dieser Satz:

Es gibt verschiedene Arten von Messern, aber für das Abschlachten von Menschen im Krieg sind am besten etwas längere Exemplare geeignet, so wie die Jagdmesser zum Schlachten von Wildschweinen.

Mit dieser Exposition beginnt Tatjana Gromača (* 1971 in Sisak) ihren Roman Die göttlichen Kindchen (aus dem Kroatischen von Will Firth).

Welche Erwartungen an ihren Roman weckt Gromača mit diesem ersten Satz? Darf man einen Ton voll scharfzüngigem Witz erwarten, wie es der Klappentext vorschlägt?

Ich bespreche dieses Buch ausgehend von der Wucht, der Gewalt seiner Exposition. Ich nehme die weitere Sätzen des ersten Absatzes noch hinzu.

Diese Messer sind ein klein wenig breiter und an der Spitze manchmal sogar gebogen, wie bei den türkischen Krummsäbeln, mit denen man schon während der Eroberungen Menschen niedergemetzelt hat, fünf Jahrhunderte vor diesem, in dem die Geschichte meiner Mutter und ihrer Vorfahren spielt; man könnte sagen, es handele sich durchaus um Spezialmesser, denn im Krieg fehlte bekanntlich die Gelegenheit, sich modernste Ausrüstung zu beschaffen. Man begnügte sich daher mit dem, was sich fand. In Frage kamen Tauchermesser zum Fangen und Erlegen großer Fische oder solche zum Aufschlitzen, Ausnehmen oder Entschuppen. Schließlich kamen, in Ermangelung von Messern, auch Beile, Sägen, Schneiderscheren und Stricknadeln in Betracht. Alles konnte dazu dienen, jemanden, der es verdiente, zu töten, selbst der gewöhnlichste Dosenöffner, der in fast allen Häusern und Bauernhöfen zumeist mehrfach vorhanden war, und Dosenöffner konnten auch ein integrierter oder ergänzender Bestandteil der regulären Soldatenverpflegung sein.

Die scharfe Zunge wäre zu bestimmten Zeiten mit einem Messer herausgeschnitten worden, um Menschen zum Verstummen zu bringen. Es handelt sich um eine todernste Angelegenheit. Habe ich den Witz, die Pointe überlesen?

Gromača spannt einen Bogen, jahrzehnteweit, jahrhunderteweit, um Geschichte und die persönliche Geschichte ihrer Mutter zu erzählen. Sie schlüpft dabei in die Rolle der Chronistin, der Analystin, die ungeschönt auf die Krankheit ihrer Mutter mit einem kühl-distanzierten Blick schaut und uns die jüngere Vergangenheit anhand dieser Krankheit vorführt. Diese Distanz, die die Autorin zwischen sich und ihre Mutter, ihre Vorfahren, ihre Zeit legt, schließt zärtliche Momente der Bindung nicht aus, aber sie sind verborgen. Die Chronistin, der es möglich ist, scheinbar ungerührt uns eine solche Exposition zu präsentieren, ist zu Beginn des Romans von der Gewalt ihrer Worte getragen. Später, zum Ende hin, tritt die Autorin in ein intimeres Verhältnis zur Person der Mutter, verliert an Kraft, so wie die Mutter sie verliert – und der Schlusssatz verebbt.

Gromača gelingt es über weite Strecken ihres Textes, jene Distanz zu wahren, die ihr ermöglicht, aus biografischem Material ein Exempel für die Geschichtsschreibung abzuleiten. Sie formuliert gleichermaßen direkt und indirekt. Sie ist sich der Gefährlichkeit ihres Unternehmens bewusst. Ich denke an Dubravka Ugrešićs Die Kultur der Lüge. Eine Absage an Nationalismus kann den Gang ins Exil nach sich ziehen.

Manches Mal gerät sie durch die eigene Befangenheit vom Weg ab und lässt sich dazu verleiten, Wertungen und Erklärungen aufzunotieren, beispielsweise, wenn sie zum Rundumschlag gegen die pharmazeutische Industrie mit ihren bunten Pillen ansetzt, die die Patientinnen und Patienten nicht gesund, sondern krank, kaputt und abhängig machen. Da reduziert sich die großartige Weitsicht des Textes, nach meinem Empfinden, auf ein Bashing.

Doch von wenigen Stellen abgesehen, funktioniert das Unterfangen der Autorin. Die bipolare Störung der Mutter stellt sie in die Phase der Kriegsvorbereitung, des Krieges und der Amnesie, Amnestie der Nachkriegsjahre. Wiewohl wir über die Kriege nach der Auflösung Jugoslawiens sprechen, haben Gromačas Darlegungen allgemeingültigen Charakter und können deswegen nicht genau genug gelesen werden:
Wie gelingt es, jahrzehntelange Nachbarschaften, Freundschaften zu zerstören und die Menschen gegeneinander aufzuhetzen? Welche Mechanismen sind am Werk? Wieso sind die einzig normalen Menschen, die, die in Anstalten behandelt werden, während draußen der Irrsinn, der Hass sich Bahn bricht? Wie können Lügen und Stehlen zum Volkssport werden?

Diese Umwidmung, Umpolung von Werten des gemeinschaftlichen Lebens hin zur Ausgrenzung, Anfeindung einschließlich der grausamen und rasenden Morderei, dann danach das Vergessen und die Freiheit für die Mörder (während die Opfer für immer gefangen bleiben), das fängt Gromača in ihrer Prosa meisterlich ein, die vielleicht spielerisch angelegt ist, wie der Textausschnitt auf der Coverrückseite nahe legt

Alles in diesem Buch ist völlig getrennt und verschieden von der Wirklichkeit, die hier nur teilweise und gelegentlich nachgeahmt wird, ganz und ausschließlich zum Zwecke der Schaffung eines literarischen Spiels

aber ein Spiel mit dem Tod bleibt. Siehe Kapitelüberschrift:

Ein Wortspiel
ist sehr gefährlich
(vernünftiger wäre es zu schweigen)