Sipho Sepamla: „Soweto, das ich liebe“

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Wenn Indra Wussow in ihrem Nachwort „Poetische Landschaften der Leere – Südafrikanische Lyrik zwischen den Zeiten“ der im Verlag Das Wunderhorn erschienenen Anthologie „Ankunft eines weiteren Tages“ von den Dichtern des Struggle spricht, dann meint sie sicher auch Sipho Sepamla  (1932 – 2007). Sie schreibt über die Zeit des Soweto Uprising im Jahr 1976:

„Lyrik war politisch, gab den Menschen im Kampf gegen den übermächtig scheinenden Apartheidsstaat eine Stimme und Trost. Selten hat eine Generation südafrikanischer Dichter, Verbannte im eigenen Land oder Exilanten, einen so wichtigen und sichtbaren Beitrag zur Befreiung des ganzen Volkes von den Fesseln eines Unrechtsstaates geleistet.“

Die deutsche Übertragung der Gedichte von Sepamla übernahmen Arno Behnert und Roswitha Greis, der Gedichtband „Soweto, das ich liebe“ erschien im April 1978 im Verlag Internationale Solidarität, Köln. (Übertragung: Arno Behnert und Roswitha Greis)

Für uns, die wir seit Jahrzehnten in einer weitgehend befriedeten Gesellschaft leben, ist es ungewohnt, Lyrik zu lesen, die sich so unmittelbar politisch äußert. Welchen Stellenwert hat es, die Lyrik Sepamlas zu lesen und den poetischen Gehalt jenseits richtiger und auch stramm formulierter internationalen Solidarität zu befragen? Zeugnis abzulegen mithilfe eines Gedichts erscheint uns vielleicht überholt, zu einfach, zu eindimensional. Wir sind eher gewohnt mit der Sprache zu spielen als an ihrer Seite einen Kampf auszutragen. Aber der Blick zurück lehrt uns, dass es beim Aufstand der Schüler 1976 um einen Sprachkampf ging. Die Ausweitung des Afrikaans im Unterricht war die Ursache der Schülerstreiks, die schließlich zum blutig niedergeschlagenen Aufstand führten.

Sipho Sepamla: Wie ein Bruder starb

ich will mich an diese Dinge erinnern
damit ich sie meinem kleinen Bruder erzählen kann
ich will mit diesem Mund nur die Wahrheit sprechen
damit ich aufrecht gehen kann durch die Straßen
[…]
ich will mich an diese Dinge erinnern
denn ich habe nie zuvor solchen Haß gekannt
ich erinnere mich an das Schnalzen meiner Zunge
wie die Muskeln sich um meine Brust zusammenzogen
ich blickte auf sein bedecktes Gesicht
fühlte den Aufprall des Schmerzes als er gefällt wurde
von dieser Kugel

Dagegen der Sound des 1968 in Soweto geborenen Kgafela oa Magogodi, eines der wichtigsten Spoken-Word-Poeten Südafrikas, aus der oben genannten Anthologie.

Kgafela oa Magogodi: wir gehen in uns

wir gehen in uns, manche kommen nicht an
doch wir suchen den weg, den man gehen kann, uns zu-
geschrieben gestern abend, als die sonne nasenbluten hatte
nachts fielen wir in schlummer, verloren uns im schatten
irrten kreuz und quer durchs land, fielen in unsere speere
schrieen, lärmten uns taub in der sprache der gewehre
wir pflückten unreife früchte, magenkrämpfe halten uns
in hungerkrallen, wir fliehen durch die straßen, fallen
nun einander an – kiefer brechen, wir rutschen, knallen
lang hin, als tafel für die würmer liegen wir still
augen zu, weil keiner die felder verrotten sehen will
[…]

Übertragung: Sylvia Geist