John Mateer: „Der Narbenbaum“

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Natives and Aliens

John Mateer und sein Gedicht Verbreitung aus dem 2015 bei hochroth erschienenen Band  „Der Narbenbaum“ geben Anlass, über Einheimische und Fremde nachzudenken.

Das Gedicht stellt die ausschließlich in Australien beheimatete Banksia, eine Pflanzengattung innerhalb der Silberbaumgewächse in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. Schnell finden sich im Internet Abbildungen der verholzten Zapfen und der durch die große Hitze der Buschfeuer aufgesprungenen Früchte des Fruchtstands. Jetzt weiß ich endlich, was ich vor Jahren in einer Bucht von Sydney aus dem Wasser fischte und nicht zuordnen konnte: den Rest einer Banksia integrifolia, auch Honeysuckle, White Bottlebrush oder in der Sprache der Gunaikurnai (Gippsland Region) Birrna genannt. Fälschlicherweise lag der Fund bis eben bei Muscheln und Schneckengehäusen.

John Mateer lebt in Perth. Er wurde 1971 in Roodepoort bei Johannesburg, Südafrika, geboren, wuchs dort und in Kanada auf, bevor er 1989 mit der Familie nach Australien übersiedelte. Wo ist ein Weißer, der Englisch und Afrikaans spricht, Native, wo ist er Alien?

Es sind Fragen nach Identität, die den Lyriker beschäftigen. Und da eine Zuordnung nicht so leicht gelingt, sucht er eine Antwort in einer weltzugewandten Internationalität, er reist viel, eignet sich Kultur an, um in der Fremde das Vertraute zu finden, den Ursprung. Mateer beschäftigt sich intensiv mit Buddhismus und Hinduismus, wie er in dem langen Interview für die US-amerikanische Zeitschrift Molossus betont.

[…]
dann erwacht der Zapfen zum Leben, kann seine Stille durchbrechen
und öffnet sich zu einer schwarzen Yoni, deren ganzer Körper aus trockenen,
geöffneten Lippen besteht, die wie selbstverständlich Samen ausspucken.

(aus: Verbreitung)

Es geht biologisch gesehen um Pyrophyten, philosophisch-spirituell um die göttlich-schöpferische Energie, die in der Lesart des Shivaismus eine dem Gott Shiva zugeordnete weibliche Energie ist, im Shaktismus eine eigenständige Kraft darstellt.

Doch zurück zur Zugehörigkeit. Sowohl in Südafrika als auch in Australien konnte ich auf Reisen schon die Bedeutung der native plants erfahren. Fragen nach Schönheit spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle, nur: „Bist du von hier? Oder bist du fremd?“

Die Weißen und ihr Sprache sind in beiden Ländern nicht native.

Sicher ist Mateers Blick durch die Apartheid seiner Heimat Südafrika geschult. Er erkennt die Verwerfungen in jeder Gesellschaft, er findet die Stimmen, die zu verschwinden drohen, und verortet sich dabei stets neu.

Letzte Nacht, in einem Klartraum, war
ich ein schwarzer Kakadu
[…]
meine Federn zerzaust
[…]
Ich fragte mich
beunruhigt, ob ich auf der richtigen Sitzstange wäre.

(aus: Letzte Nacht)

Die Gedichte wurden von Andreas Schachermayr, Mitherausgeber der Lyrikzeitschrift Poetry Salzburg Review ins Deutsche übertragen. Es handelt sich bei der Auswahl um einen kleinen Ausschnitt von Mateers Veröffentlichung the west. australian poems 1989 – 2009, Fremantle Press, North Fremantle WA 2010.