Maria Knissel: „Spring!“

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Das System Margot

Die Verletzung ist aufgebrochen. Nicht der Bänderriss, nicht der Muskelfaserriss, nicht die ungezählten blauen Flecken auf fast allen Knochen meines Körpers, die zum Glück von Brüchen verschont geblieben sind, nicht die „Heidelbeeren“ genannten Blutblasen an den Händen, nicht die eingerissene Haut an den Fingerkuppen, die sich schon seit weit mehr als einem Vierteljahrhundert nicht mehr durch die engen Fingerlöcher der Röllchenriemchen schieben müssen. Die Verletzung ist die tief greifende Erniedrigung, die sich im Körper eines Kindes versteckt hat, das von der Teilnahme an Olympischen Spielen träumte, nur weil jemand von Talent gesprochen hatte; und dann war ich in die Falle der Durchhalteparolen getappt. Ohne Fleiß kein. Du kannst jetzt nicht abbrechen! Du musst den Satz zu Ende führen. Nein, muss ich nicht! Ich höre auf, wann ich will.

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Jan Koneffke: „Vor der Premiere“

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Borg, Cotta und Strauch

Ich beschäftige mich gerne mit dem Frühwerk von Prosaautoren, insbesondere mit ihren Erstlingen. Meist mit zeitlich großem Abend, wenn die Autoren schon große, ganz große Namen haben und hoffentlich von ihrem Schreiben leben können.

Dieser Tage fand ich im Spendenregal einer Kirchengemeinde die Erzählung „Vor der Premiere“ von Jan Koneffke aus dem Jahr 1988. Koneffke, 1960 in Darmstadt geboren, kenne ich als fachkundiger Juror beim Leonce-und-Lena-Preis. Eigentlich unverzeihlich, den Autoren Koneffke nicht zu kennen. Jetzt konnte ich das nachholen.

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Zsuzsanna Gahse: „JAN, JANKA, SARA und ich“

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Büren TG
Ein urbanes Puzzle aus sichtbaren und unsichtbaren Teilen

Zsuzsanna Gahse hat ihrer Leserschaft mit dem im August erschienenen Buch ein Puzzle geschenkt. Ich mag dieses Geduldsspiel; die Ecken sind schnell heraussortiert, die Randteile ohne Probleme zusammengefügt, doch dann wird es schwieriger. Am Ende liegt ein Bild vor mir, das vortäuscht, einen Gesamtblick auf die Landschaft zu gewähren. Doch ohne die unsichtbaren Teile, die im Verborgenen darauf warten, sich den Personen zu öffnen, die sich nicht mit dem ersten Eindruck zufrieden geben, bleibt das Spiel unvollständig.

Die Eckteile
Die Personen setze ich in die Ecken. Jan, Janka, Sara und die „ich“ genannte Stimme bilden meinen Ausgangspunkt. Hinzu kommen weitere zwanzig Personen, die in unterschiedlicher Länge und Häufigkeit Auskunft geben über das, was sie bewegt. Sie geben ihre freimütigen Meinungen in einem Tonstudio in Büren zu Protokoll, das sich, sozusagen als freiheitlich-demokratische Instanz, verpflichtet, diese Audio-Sammlung der Einheimischen und ihrer Besucher vor einer Verwertung dauerhaft zu schützen. Das Ich lebt unten im Tal (Talstimme) und wirft einen anderen Blick auf Büren, diese rasant wachsende Stadt auf dem Wellenberg.

Wir züchten hier Häuser, in erster Linie Rassehäuser. Jeder soll zwei Wohnungen oder Häuser haben, wegen des guten Tons, weil zur Sittsamkeit zwei Domizile gehören, mindestens, damit niemand auf einen einzigen Ort beharrt und dort kleben bleibt. (Schwarm · Jan)

Mir macht es nichts aus, wie Büren wächst und wächst. Nachmittags, wenn ich mit dem Auto von Konstanz nach Hause fahre, sehe ich die Ortssilhouette, den wachsenden Umriss, und der gefällt mir. Ich glaube nicht, dass es viele Leute gibt, die das Zubauen der Hügel und der übrigen Landschaften gut finden, genau genommen ist das Zupflastern ein Horror, ein herrlicher Untergang der Erde. (Bang · Janka)

Nachher erzähle ich die Geschichte meinem Vater, der mit vierundachtzig gestorben ist. Wir werden miteinander ein großes Zahlenspiel beginnen, ein Alterszahlenspiel. Zum Beispiel acht mal acht. Vierundsechzig bedeutete früher ein gewisses Alter. Vierundsechzig mal acht kommt als Alter nicht in Frage. (Schach · Sara)

Sie haben ihre Meinung, ich die meine, und außer meiner Meinung gibt es deine Deinung, und die Unserung. Gemeinsam steigen sie den Hang hinauf, unterwegs begegnen sie der Ihrung, Deinung hustet und hat einen roten Kopf. (Taltext)

Die Randteile
Die Landschaft setzt die Ränder. Ich erkenne ein breites Tal in der Ostschweiz, wir sind im Kanton Thurgau (TG). Selbst mit Adleraugen und Google Earth gelingt es nicht, Büren auf dem Wellenberg zu verorten. Die Stadt als sozial unverträgliche Utopie, eine Fiktion, die ohne den Samen der Gegenwart, diesem Lebenslabor zwischen Vergangenheit und Zukunft, nicht aufgehen kann.

Aus der Vogelperspektive ist das Thurtal eine übersichtliche Landschaft, eine ehemalige Seegegend, wie ich seit Kurzem weiß. Bis in die Nacheiszeit hinein lag im Tal ein Gletschersee, immerhin so groß wie der heutige Zürichsee, nördlich und südlich von zwei langgestreckten Höhenzügen begrenzt, dem Seerücken und dem Wellenberg, von zwei Rivalen, wie ich oft meine, wobei die Gegnerschaft nur eine Sache der Perspektive ist. Am Wellenberg gibt es, wie schon erwähnt, einige Standorte, von denen aus der Blick unmittelbar zum Seerücken führt, von Berg zu Berg, als hätte man eine einzige Berglandschaft vor sich. Das Tal bleibt dabei ausgespart, es liegt in einer Falte, versunken in einer Falte, und von einer Gegnerschaft der Berge kann dann keine Rede sein. (Taltext)

Die sichtbaren Teile
Nach und nach bringe ich die Teile in ihre Position, sie greifen ineinander. Es gibt Teile, deren Inhalt ich schneller erkenne, für andere brauche ich länger, lege sie wieder weg, um im zweiten Anlauf erfolgreich zu sein. Es ist ein zufälliges Spiel und die Vollendung des Landschaftsabbildes ist dabei eine unvorstellbar hohe Anzahl von Möglichkeiten. Da passiert es, dass ich im Prozess den Sinn des Einzelteils nicht erkenne und mich das Gefühl der Beliebigkeit erschleicht. Warum halte ich gerade jetzt dieses Teil in der Hand? Wozu ist es gut? Sicher hat die Autorin die vierundzwanzig Stimmen nicht zufällig gesetzt, sondern wohl bedacht, einer inneren Logik folgend. Ein Buch muss einem Spannungsbogen, wie immer er ausgeprägt sein mag, folgen, um nicht Gefahr zu laufen, weggelegt zu werden. Diese Notwendigkeit widerspricht jedoch dem Wesen des Puzzles. (Selbst meine Vorgehensweise, erst alle Teile auf die bedruckte Seite zu drehen, Eckteile, Randteile zu suchen und zu fügen, dann mit dem Kern zu beginnen, ist sehr fraglich. Mein Sohn beweist mir gerne, dass es auch anders geht.) Das Puzzle lebt die Anarchie, bevor es sich der Ordnung fügt. Wenn wir Erwachsenen das Puzzle beendet haben, seien wir ehrlich, verlieren wir sofort das Interesse am Spiel. Kinder können das Puzzle erneut fügen, dabei des Spieles wegen voller Freude andere Wege nutzen, um ein neues Bild zu erschaffen. Doch Kinder sind im urbanen Konzept von Büren (TG) nicht mehr vorgesehen.

In Büren wurden seit zwei Jahren keine Kinder mehr geboren, allerdings gebe es neu Hinzugezogene mit Kindern, stand in dem Blatt, dem natürlich niemand trauen muss. Bei solchen Mitteilungen fällt einem unwillkürlich ein, wie abfällig die Leute hier über Frauen oder Paare mit Kindern reden. (Wahl · Janka)

Das ist bedrohlicher als die Panzer, die Gahse am Ende aufrollen lässt. Ja, der Krieg rückt näher in die Mitte Europas, Überwachung, Entrechtung und Enteignung. Wenn jedoch keine Kinder mehr da sind, die die Bilder neu zusammensetzen, wird unsere Gesellschaftsordnung totalitär und tot.

Die unsichtbaren Teile
Ein Name, ein Buchtitel schwebt über der Lektüre: Italo Calvino und sein 1972 erschienenes Buch „Die unsichtbaren Städte“, über das Wikipedia die Auskunft erteilt: „Kein Roman, sondern ein singuläres, sich gegen alle Gattungsbezeichnungen sperrende Stück Literatur […], verdichtet sich mehr und mehr zu einem beklemmenden Panorama einer von Zerfall und Untergang bedrohten Welt.“ Das Recycling dieser Worte für Gahses Buch sei erlaubt.

Ein weiteres unsichtbares Teilchen sehe ich in Werner Dürrsons „Das Kattenhorner Schweigen“, ein schmaler Gedichtband, der 1985 mit dem Bodensee-Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Da blickt jemand von der anderen Seeseite auf den Seerücken und erahnt vielleicht noch im Hintergrund den Wellenberg. Freilich: Büren, wie es Gahse aufleben lässt, gab es in den Achtziger Jahren noch nicht. Aber das Verschwinden einer Kulturlandschaft zugunsten einer Parzellierung von Grundstücken, diese Einigelungswut, die ihren Ausdruck in Immobilienwirtschaft, sozialer Kälte und Gedächtnisverlust findet, ist bereits bei Dürrson präsent.

Freundlicherweise gibt die Autorin mit einer Danksagung an Richard Sennett und Georges Perec wesentliche Hinweise, wo ihre unsichtbaren Teile zu finden sind. Richard Sennett, 1943 geborener US-Soziologe, Sohn kommunistischer Eltern, „seine Hauptthemen sind die Vereinzelung, Orientierungslosigkeit und Ohnmacht moderner Individuen, die Oberflächlichkeit und Instabilität zwischenmenschlicher Beziehungen sowie die Ausübung von Herrschaft“ (Wikipedia). Georges Perec (1936 – 1982), sein Hauptwerk „La Vie mode d’emploi“ (deutsch: „Das Leben Gebrauchsanweisung“) ist formal und inhaltlich ein Puzzle. Ich komme nicht umhin, die „Werkstatt für Potentielle Literatur“ (franz. „L‘ Ouvroir de Littérature Potentielle“, OuLiPo) zu erwähnen, ohne dessen Programmatik das Werk Perecs nicht entstanden und verstanden wäre. Darüber ließe sich noch viel Notwendiges sagen, lesenswert ist Gundel Mattenklotts Abhandlung „Über einige Spiele in Georges Perecs Roman ‚Das Leben Gebrauchsanweisung’“. Ich will es bei meiner kleinen Freude belassen, dass auch Calvino Oulipien war, genauer gesagt: ist. Verstorbene bleiben Mitglied und gelten als entschuldigt. Ein interessanter Umgang mit Lebenszeit, Verklärung, Vergangenheit, Stillstand und Fortschritt.

Die Gegenwart kommt nicht einmal zufällig vor, und entsprechend sind die alten Fotos, die sie sammeln, eine Ölhaut gegen die Gegenwart. (Flachs · Jan)

 

 

Antje Herden: „Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet“

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Die Welt zu retten, ist eine ziemlich aufregende Angelegenheit.

Kurt, Sandro und die Prinzessin beobachten merkwürdige Veränderungen. Um der Sache auf den Grund zu gehen, müssen sie in die Unterwelt absteigen, im Dunkel(deutsch)land von Kanalisation und Bunkeranlagen. Dort treffen sie auf Kröten, Ratten und Molche, die viel größer als normal sind und den Kindern bedrohlich nahekommen.

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Rudolf Gramich: „Das Wayang-Spiel“

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Indonesien als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2015

Rudolf Gramichs Roman „Das Wayang-Spiel“ erschien 1999 im Horlemann-Verlag. Damals war der Verlagssitz in Bad Honnef, heute ist er unter Leitung von Anja Schwarz in Angermünde. Der Verlag hat in seiner Asienreihe einen Schwerpunkt Indonesien, der zur Buchmesse mit fünf neuen Titeln herausgestellt wird.

Rudolf Gramich (1931 – 2010) lebte achtzehn Jahre in Indonesien und hat in „Das Wayang-Spiel“ die indonesische Gesellschaft zwischen Tradition und Moderne beschrieben. Vieles bleibt den Lesern, die sich noch nicht mit Geschichte und Kultur Indonesiens beschäftigt haben, fremd, unbekannt. Dennoch oder aber gerade deswegen lohnt es sich, dieses Buch zu lesen, das das nächtliche Spiel des Puppenspielers (Dalang) zum Anlass nimmt, die Menschen zwischen unterschiedlichen religiösen Traditionen (hinduistische, christlich, muslimische), Befreiungskampf, Militärdiktatur und dem Kahlfraß eines aufkommenden Turbokapitalismus zu zeigen.

Und so profund Gramichs Kenntnisse über die javanische Kultur, die ihren Ausdruck im Schattenspiel der Lederfiguren (Wayang kulit) und der Gamelan-Musik, die Gramich erlernt hatte, findet, hört man die tiefe Sehnsucht heraus, selbstbestimmt und fern der Götzen des Marktes zu leben.

„Leben, einmal leben ohne Gott und ohne Götter. Einfach so leben.“

Gramich jedoch zeigt die Götter bereits als alte Männer, die mit der Gegenwart nicht mehr zurecht kommen. Sie finden die alten Wege nicht mehr, stoßen auf Hochhäuser, in deren oberen Geschosse kleine, mächtige Männer das Land für ihre Zwecke aufteilen.  Hier wird die Lebensgrundlage einer Gesellschaft zerstört, die einst auf dem Prinzip gegenseitiger Nachbarschaftshilfe (Gotong-Royong) aufbaute.

Gunnar Decker: „1965. Der kurze Sommer der DDR“

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Wir malen alle den gleichen Vogel aus
Gunnar Decker vermisst den Möglichkeitsraum der
intellektuellen Elite der DDR vor dem 11. Plenum des
Zentralkomitees (ZK) der SED im Dezember 1965

Jochen Schanotta, siebenjährig, lernt fürs Leben. Der Lehrer sagt
ihm noch: „und daß du nicht über den Rand malst!“ Ich Idiot hab’s so
gemacht, und am Ende hatte ich den gleichen Vogel wie alle. Gunnar
Decker arbeitet als Redakteur der (ehemals ostdeutschen)
Theaterzeitschrift „Theater der Zeit“, Georg Seidels Stück „Jochen
Schanotta“ findet sich im (ehemals westdeutschen) Pendant
„Theater Heute“ (4/87). Andreas Döhler als Schanotta am
Deutschen Theater (2011/2012) bringt den Widerspruch zwischen
Autonomie und Indoktrination der Jugend mit dieser
Eingangsszene auf den Punkt. Nach der Uraufführung des
Stückes in der DDR 1985 am Berliner Ensemble wird eine
Kampagne gegen Seidel, dessen Figur nicht dem sozialistischen
Leitbild entspricht, losgetreten.

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Michelle Cahill: „Vishvarūpa“

Michel Cahill: Vishvarūpa

Vishvarūpa der 1969 in Kenia geborenen, australisch-indischen Autorin Michelle Cahill erschien 2011. Die Printausgabe ist nahezu vergriffen. Über die befreundete Lyrikerin Debbie Lim fand das Buch von booktopia in Lidcombe, dem Stadtteil Sydneys, das den Olympiapark von 2000 beherbergt, den langen Postweg nach Deutschland.

Cahill kam nach der Grundschulzeit in London mit der Familie nach Australien. Sie lebt in Sydney, hat für ihre Poesie mehrere Preise erhalten und ist Herausgeberin des Mascara Literary Review.

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Marko Pogačar: „Schwarzes Land“

Marko Pogacar: Schwarzes Land

Der Bauch gefüllt mit fremden Uhren

Lebenswege versammeln sich in der biologischen Mitte des 1984 in Split geborenen Autors. Es rumort. Es tickt. Vielleicht ist da eine Bombe installiert, vielleicht spielt ein Verrückter nur rhetorisch mit der Vergänglichkeit des Lebens. Wer sagt, dass der Narr nicht leidet? In Marko Pogačars Körper trifft sich eine Gesellschaft mit ihren krassen Widersprüchen, ihrer Geschichte und dem Alltag der „unabhängigen Republik der Kühe“. Dort unten, im Übergang von Magen und Darm, zwischen Erbrochenem und Verdautem ist es dunkel, ja: schwarz, sehr finster.

Rezension  auf Faustkultur.

 

Michael Spyra: „Auf die Äpfel hatte der Herbst geboxt“

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Die Form muss durch den Mund gehen

Es bedarf keiner weiteren Erörterung: Der freie Vers reist, wohin er will. Die gebundene Sprache ist begrenzt durch Gesetzmäßigkeiten und schränkt die Handlungsfreiheit des Schreibenden ein. In dieser Reisebeschränkung liegt eine Chance, sich Freiheit auf anderem Weg zu erarbeiten. In welche lyrischen Systeme wurde der 1983 in Aschersleben (Sachsen-Anhalt) geborene Autor mit dem Mauerfall eingeschult? Was bedeutet es, wenn er auf tradierte Formen zurückgreift, um seine Freiheit darin zu suchen? Warum tut er das? Er tut es, weil er es kann und Freude daran hat. Weitere Auskünfte darüber wird der Autor nicht geben wollen und verweist zurecht auf sein Buch. Doch die Fragen, die sich mir stellen, gehen weiter: In welchem Verhältnis stehen Form und Inhalt? Sind sie gleichberechtigte Partner?

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Werner Dürrson: „Das Kattenhorner Schweigen“

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In the End

The apples remained hanging
on leafless trees or they
lay in the grass every one of them.

For the time being snow
will tend the fields. Over blurred lines
perhaps a deer’s footprint or traces
of crow’s wings.

(Übertragung ins Englische: Michael Hamburger)

Vor über 30 Jahren träumte ich davon, mein Deutsch-Abitur über zeitgenössische deutsche Lyrik verfassen zu dürfen. Hingegen war mein Interesse an anderen Sprachen mehr oder weniger nicht vorhanden und kein Thema meiner Reifeprüfung. 1984, in dem Jahr also, in dem ich mich an einem Gedichtvergleich abarbeitete, wenn auch nicht zeitgenössische Lyrik, sondern Klassik und Expressionismus, erschien „Das Kattenhorner Schweigen“ von Werner Dürrson. Ich weiß nicht, ob ich damals mit den Gedichten über die Landschaft des Bodensees etwas hätte anfangen können.

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Mario Szenessy: „Verwandlungskünste“

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Dieses Buch ist ein Wunder aus einer anderen Zeit. Es erschien 1967 im S. Fischer Verlag, zu einer Zeit als Peter Härtling als Cheflektor verantwortlich zeichnete.

Die Gestaltung des Covers ist von schlichter Konzentration auf das Wesentliche, die Rückseite eine leere weiße Seite. Das muss für die heutigen Marketingexperten unfassbar sein, diese verspielte Chance, mit markschreierischen Zitaten bekannter Magazine Werbung zu machen, um den Verkauf des Buches anzuheizen. (Oh ja, der Dichter sitzt in seiner ungeheizten Dachkammer und wartet vergeblich auf Brennholz!)

Mario Szenessy, ein deutschschreibender Ungar, lebte von 1930 bis 1976, geboren in einem Ort im westlichen Banat, der heute Zrenjanin heißt, im wechselvollen Spiel der Historie des Balkans aber viele Namen trug, heute Teil Serbiens ist, genauer gesagt der autonomen Provinz Vojvodina. 1942 ging er nach Ungarn, nach Szeged. 1963 kam er nach Deutschland, zunächst Tübingen, später Berlin. „Verwandlungskünste“ ist sein Erstlingswerk.

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