Tschola Lomtatidse: „Die Beichte“

lomtatidse_diebeichte

Die Beichte“ des georgischen Revolutionärs und Schriftstellers Tschola Lomtatidse (1878 – 1915) versammelt fünf Erzählungen, die, wie wir aus dem Vorwort von Dato Barbakadse erfahren, der lyrischen Prosa und gleichsam der klassischen Moderne der georgischen Literatur zuzurechnen sind. Ins Deutsche übertragen wurden die Texte vom Artschil Chotiwari, Steffi Chotiwari-Jünger und Nino Stoica.

Diese uns in Mitteleuropa ferne Literatur zugänglich zu machen, ist ein Verdienst von Uli Rothfuss, dem Herausgeber der Kaukasischen Bibliothek, und dem Verleger Traian Pop.

„Tschola Lomtatidse: „Die Beichte““ weiterlesen

Sipho Sepamla: „Soweto, das ich liebe“

siphosepamla_sowetodasichliebe

Wenn Indra Wussow in ihrem Nachwort „Poetische Landschaften der Leere – Südafrikanische Lyrik zwischen den Zeiten“ der im Verlag Das Wunderhorn erschienenen Anthologie „Ankunft eines weiteren Tages“ von den Dichtern des Struggle spricht, dann meint sie sicher auch Sipho Sepamla  (1932 – 2007). Sie schreibt über die Zeit des Soweto Uprising im Jahr 1976:

„Lyrik war politisch, gab den Menschen im Kampf gegen den übermächtig scheinenden Apartheidsstaat eine Stimme und Trost. Selten hat eine Generation südafrikanischer Dichter, Verbannte im eigenen Land oder Exilanten, einen so wichtigen und sichtbaren Beitrag zur Befreiung des ganzen Volkes von den Fesseln eines Unrechtsstaates geleistet.“

„Sipho Sepamla: „Soweto, das ich liebe““ weiterlesen

Marko Pogačar: „Schwarzes Land“

Marko Pogacar: Schwarzes Land

Der Bauch gefüllt mit fremden Uhren

Lebenswege versammeln sich in der biologischen Mitte des 1984 in Split geborenen Autors. Es rumort. Es tickt. Vielleicht ist da eine Bombe installiert, vielleicht spielt ein Verrückter nur rhetorisch mit der Vergänglichkeit des Lebens. Wer sagt, dass der Narr nicht leidet? In Marko Pogačars Körper trifft sich eine Gesellschaft mit ihren krassen Widersprüchen, ihrer Geschichte und dem Alltag der „unabhängigen Republik der Kühe“. Dort unten, im Übergang von Magen und Darm, zwischen Erbrochenem und Verdautem ist es dunkel, ja: schwarz, sehr finster.

Rezension  auf Faustkultur.

 

Indra Wussow (Hrsg.): „Ankunft eines weiteren Tages“

indrawussow_ankunft

Zeitgenössische Lyrik aus Südafrika

Die 2013 im Verlag Das Wunderhorn von Indra Wussow herausgegebene Anthologie beinhaltet Gedichte von acht Lyrikerinnen und Lyrikern, übersetzt von Sylvia Geist. In der beigelegten Audio-CD lesen Gabeba Baderoon, Charl-Pierre Naudé, Karin Schimke, Phillippa Yaa de Villiers, Vonani Bila, Kgafela oa Magogodi, Mbali Kgosidintsi und Rustum Kozain ihre Texte in der Originalsprache (zumeist Englisch).

Es steht außer Frage, wie verdienstvoll es ist, die Lyrik der Welt ins Deutsche zu übersetzen und für den deutschen Markt zugänglich zu machen. Dass dabei ein so schönes zweisprachiges, manchmal dreisprachiges Buch entsteht, ist bedeutend.

Schönheit bedeutet keineswegs das Hinwegschauen über die Zerrissenheit und Brutalität einer Gesellschaft, die sich durch Armut, Gewalt und Korruption kennzeichnet. Im Gegenteil. So unterschiedlich die acht Stimmen sein mögen, sie weisen dorthin, wo es wehtut, wo sich die barfüßigen Kinder im Park an zerschlagenen Bierflaschen die Füße zerschneiden.

Jean Portante: „Die Arbeit des Schattens“

jeanportante_diearbeitdesschattens

Auf dem 8. Europäischen Poesiefestival in Frankfurt am Main durfte ich Jean Portante aus Paris kennenlernen. Er gab mir seinen Gedichtband „Die Arbeit des Schattens„, übertragen von Odile Kennel aus dem Jahr 2005 in der luxemburgischen Editions PHI (Original: „Point“, 1999).

Jean ist in Luxemburg aufgewachsen als Sohn italienischer Einwanderer aus den Abruzzen. Er spricht mehrere Sprachen, ohne eine Sprache als seine Muttersprache auszuweisen. Seine Mehrsprachigkeit macht ihn zum Kosmopolit und Übersetzer aus mehreren Sprachen ins Französische, die Sprache, in der er sein umfangreiches Werk schreibt, Als Beispiel für seine Übersetzungen möchte ich den letztes Jahr verstorbenen Autor Juan Gelman nennen (dessen Werk „So arbeitet die Hoffnung. Lyrik des argentinischen Widerstands“ in meinem Regal steht).

„Jean Portante: „Die Arbeit des Schattens““ weiterlesen

Daša Drndić: „Sonnenschein“

dasadrndic_sonnenschein

„Das macht mir Angst, wenn in Menschen, die Ungeheuer sind, von denen wir wissen, dass sie Ungeheuer sind, Metzger, Schlächter, perverse Sadisten, wenn wir in ihnen ein Stückchen Menschlichkeit erkennen, Sanftheit und Ohnmacht, das ist der Horror.“

„Sonnenschein“ (Übersetzung: Brigitte Döbert und Blanka Stipetić) der 1946 in Zagreb geborenen Autorin Daša Drndić handelt von Horror, nicht endend wollendem Horror. Nachdem ich vor vielen Jahren Pasolinis „Salò oder die 120 Tage von Sodom“ im Kino gesehen hatte, war ich mir sicher, dem ultimativen Horror begegnet zu sein. Aber es hört nicht auf. Ich habe das Gefühl, immer noch am Anfang zu sein und mich doch gleichzeitig seit mehr als 35 Jahren im Kreis zu drehen.

„Daša Drndić: „Sonnenschein““ weiterlesen

Ales Rasanaŭ: „Zeichen vertikaler Zeit“

Ales Rasanau: Zeichen vertikaler Zeit

Wieder mal ein Buch, das ich aus Buchregal gebrauchter Bücher ziehe, im Prettlackschen Gartenhaus, wo abgelegte Bücher ein Asyl finden, bis sie ein prüfende Hand mitnimmt.

„Zeichen vertikaler Zeit“ vom 1947 geborenen, weißruthenischen (weißrussischen) Schriftsteller Ales Rasanaŭ versammelt Poeme, Versetten, Punktierungen und Betrachtungen, die von Elke Erb ins Deutsche übertragen wurden. Das Buch erschien 1995 als 28. Druck der Erato-Presse Berlin.

Besonders beeindruckt hat mich der 58-teilige Gedichtszyklus „Lehm“.

44

Mit der Macht
Die wir in die Dinge legen,
Um sie zu beherrschen,
Halten die Dinge
Uns fest.

Untereinander
Stimmen wir uns zu,
Stimmen überein
Und begrüßen uns
Bei den Begegnungen.

Aber die Tiefe
Tritt von uns zurück
Und bedeckt sich mit der Dicke
Der Oberfläche.

Und nur der Lehm allein –
Daß wir uns nicht verlieren –
leuchtet

Wie eine Laterne.

 

Weitere Informationen zum Buch und ein Gespräch von Sylvia Geist mit dem Autor sind auf planetlyrik.de zu finden.

Ioana Nicolaie: „Der Norden“

Ioana Nicolaie: Der Norden

zum Lachen musst du die Asche ausfegen,
lass leuchtend die Lauge übers Leinen gleiten

(aus: „Krümel“)

Die 1974 geborene Rumänin Ioana Nicolaie hat mit „Der Norden“ („Nordul“) ihren zweiten Lyrikband im Jahr 2002 vorgelegt, der von Eva Ruth Wemme ins Deutsche übersetzt und von Traian Pop 2008 verlegt wurde.

Der Gedichtband ist den Eltern und Geschwistern der Autorin gewidmet. Zweifelsfrei führt uns die Autorin in ihre Familiengeschichte. Sie sucht und findet überzeugende poetische Bilder für die Erinnerungen, die sie nicht abstreifen kann, die bearbeitet werden wollen, die den Weg des geschriebenen Wortes gehen müssen, so wie das ungeborene Kind seinen Weg aus dem Bauch der Mutter nehmen muss, schmerzhaft ahnend, dass dieser voller Entbehrungen sein wird.

„Ioana Nicolaie: „Der Norden““ weiterlesen

Gelu Vlaşin: „In der Psychiatrie behandelt“

Gelu Vlasin: In der Psychiatrie behandelt

Es gilt, das Werk eines 33-jährigen Dichters zu lesen, der heute kurz vor seinem 50. Geburtstag steht. Der 1999 in Rumänien erschienene Lyrikband hat, so lese ich in einer Rezension von Anke Pfeifer, den deprimism in seinem Land begründet. 2012 stellte Traian Pop dieses Buch dem deutschsprachigen Publikum zur Verfügung, Kerstin Ahlers übertrug die Gedichte ins Deutsche.

Was mag diese Lücke von 13 Jahren ausfüllen? Ich meine damit, in welchem Kontext steht dieses Erstlingswerk eines Lyrikers, der ein inzwischen beachtliches Œuvre vorzuweisen hat?

„Gelu Vlaşin: „In der Psychiatrie behandelt““ weiterlesen

Tara Books, Chennai, Indien

The Night Life of Trees

Bei der Frankfurter Buchmesse 2014 nahm ich mir etwas Zeit, die Hallen der ausländischen Buchverlage zu besuchen. Dabei entdeckte ich Tara Books aus Chennai, Indien. Ein Verlag, der Bilderbücher für Erwachsene und Kinder in seiner Kooperative herstellt. Bibliophile Kostbarkeiten, wie etwa das von drei bekannten Künstlern des Gond-Stammes reich ausgestattete Bilderbuch: „The Night Life of Trees“. Das Buch ist 2006 erschienen und inzwischen in der 10. Auflage.

Die Gond, Waldbewohner in Zentralindien, sehen in den Bäumen tagsüber hart arbeitende Pflanzen, die Schatten, Schutz und Nahrung bieten. Nachts jedoch zeigt sich ihr spirituelles Wesen.

Wie die drei Künstler Bhajju Shyam, Durga Bai und Ram Singh Urveti diesen Geist uns durch ihre Illustrationen nahe bringen, ist ein Fest für die Augen. Die kurzen von Gita Wolf und Sirish Rao ins Englische gebrachten Texte geben Anhaltspunkte und lassen viel Raum für diese wunderbaren Zeichnungen.

N.B. Das Buch gibt es in deutscher Sprache bei Baobab Books.

Luisa Famos: „eu sun la randolina d’ünsacura“

Eine kleine Reihe über Bücher, die ich in Buchhandlungen außerhalb Deutschlands gekauft habe.

Luisa Famos: Ich bin die Schwalbe von einst

Die rätoromanisch-deutsche Ausgabe der Lyrik von Luisa Famos „eu sun la randolina d’ünsacura – ich bin die schwalbe von einst“ habe ich in der Buchhandlung Chantunet da cudeschs C. Fliri ed A. Hüberli in Scuol erstanden. Die Gedichte aus dem Nachlass sind von Mevina Puorger herausgegeben.

Luisa Famos, geboren 1930 in Ramosch im Unterengadin, starb 1974 im Alter von 43 Jahren in ihrer Schweizer Heimat.