Adalber Salas Hernández: „Auf dem Kopf durch die Nacht“

Den Toten mit Grippe

La eternidad no es un pañuelo, ¿sabes?

 

Freunde, wie stelle ich es mir vor: Caracas auf einem Taschentuch, / in dem die Barrios das Muster bilden auf der blanken, geglätteten Baumwolle / und Rotze schnell wachsende Krebsgeschwüre sind, die wuchern, / den alten Kern auffressen mit der Gewalt einer ewigen Krankheit, / die wir nicht aussprechen können, weil unsere Münder zerschossen und verfault?

Freunde, wie übersetzen wir Worte, spiegeln deren Sinn, wiewohl wir (noch) / der Grammatik des sozialen Friedens frönen? Unsere Schreibtische stehen auf vier / Beinen und tragen die Last unserer Ellbogen, deren Rauheit die Joppen / zurückliegender, glücklicher Tage längst durchgescheuert. Ach, eure ewige / Husterei! Euer nie endend wollender Schleim, der eure Nasen gefangen hält!

Diese Zeilen reagieren auf das Gedicht VII (Planto por la muerte de Maese Don Domingo).

Es ist mein hilfloser Versuch, die Distanz zwischen Caracas und Europa zu verkürzen, die Riesenlücke zwischen einem collapsed state und noch funktionierenden Demokratien zu schließen. Kann ich nun, nach ein paar hingeworfenen Zeilen, beginnen, eine Rezension des Buches zu schreiben? Wie verhandeln wir Lyrik angesichts der Toten, die uns den Spiegel vorhalten?

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